Miltenberg, 24. April 2004
Renten und Generationengerechtigkeit
FDP-Bundestagsabgeordneter Heinrich Kolb über Reform- und Zukunftschancen
denn auch mit konkreten persönlichen Thesen. "Arbeiter über 50 lohnen sich mit ihrer Erfahrung für einen Betrieb - ich habe selbst welche eingestellt" und "Unternehmer haben soziale Pflichten: Wenn jemand 25 Jahre im Betrieb gearbeitet hat, darf er nicht entlassen werden." Im Zentrum stand sein Referat zur "Liberalen Rentenpolitik in einer alternden Gesellschaft".
Kolbs These: Angesichts der demographischen Entwicklung sei eine steuerlich geförderte Kapital gedeckte private Alterssicherung unverzichtbar. Ziel müsse es langfristig sein, dass die private Vorsorge zusammen mit der betrieblichen Altersvorsorge etwa die Hälfte der Alterssicherung ausmache. Dazu müsse die Notwendigkeit der privaten Alterssicherung transparent vermittelt und die staatliche Förderung entbürokratisiert und vereinfacht werden. Sogar eine Pflicht zum Aufbau einer solchen privaten Vorsorge könne notwendig werden, davor aber müsse eine Steuerreform das Steuerrecht vereinfachen und die Bürger nachhaltig entlasten, damit sie in die Lage versetzt werden, eine zusätzliche Pflichtversicherung zu finanzieren.
Zweite Säule einer Reform müsse die Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge sein. Kolb nannte die Einführung eines individuellen Altersvorsorgekontos, die Einrichtung zusätzlicher individueller Pensionsfonds und die Möglichkeit, reine Beitragszusagen der Unternehmen zuzulassen. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen, so der Referent, "liegt hier eine kalkulierbare Alternative". Als einen Baustein in diesem Konzept forderte Kolb, den Rechnungszinsfuß für Pensionsrückstellungen von heute 6 Prozent auf 3,5 Prozent zurückzuführen.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die bessere Nutzung der Lebensarbeitszeit. Die FDP setze dabei weniger auf die Verlängerung am Ende des Erwerbslebens, sondern mehr auf einen früheren Einstieg durch eine kürzere und effektivere Ausbildung. Allerdings komme es auch darauf an, das tatsächliche Renteneintrittsalter, das derzeit bei Frauen bei knapp 61, bei Männern bei nicht ganz 60 Jahren liege, an das gesetzliche anzunähern. Das, so Kolb, "ist viel wichtiger als über eine Heraufsetzung auf 67 Jahre zu diskutieren." Der vorgezogene Rentenbeginn müsse mit einem höheren Abschlag als dem von derzeit 3,6 Prozent pro Jahr belegt werden, allerdings müsse dieser Abschlag umso geringer ausfallen, je mehr Versicherungsjahre die Arbeitnehmer aufweisen könnten. Auch Krankheit müsse gesondert behandelt werden.
Schließlich, so Kolb, müsse die gesetzliche Rentenversicherung konsolidiert und neu organisiert werden. Dazu zähle z.B. die Erhöhung der Schwankungsreserve, damit konjunkturbedingte Einnahmeausfälle abgefedert werden könnten. Alle Institutionen auf Bundesebene - BfA, VDR, Bundesknappschaft, Seekasse und Bahnversicherungsanstalt - sollten zu einem Träger fusioniert und die Zahl der Landesversicherungsanstalten müsse deutlich reduziert werden. Abgelehnt wird von den Liberalen der Einbezug der Selbstständigen und Beamten in die GRV. Dies würde langfristig die Probleme eher verschärfen als erleichtern, wie auch die Enquete-Kommission "Demographischer Wandel" des Bundestages festgestellt habe.
Viel Beifall gab es am Ende des detaillierten und fachkundigen Vortrags, in dem auch immer die Generationengerechtigkeit eine große Rolle spielte. Die Anpassungen, so der 48-jährige Wirtschaftsexperte, dürften nicht allein den Erwerbstätigen aufgebürdet werden und alle Reformen müssten möglichst schnell und umfassend erfolgen. Man dürfe keine Zeit mehr verschwenden, denn die Situation in der Rentenfrage sei brisant: "Wenn wir nichts ändern, wird nichts bleiben, wie es ist!"