Sulzbach am Main, 14. Mai 2004
"Der Tag der EU-Erweiterung ist ein Freudentag"
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sprach in Sulzbach über "Menschenrechte in Europa"
Ministerin zurückgetreten, weil sie den "Lauschangriff" verfassungsrechtlich nicht billigen konnte. Inzwischen ist ihre Rechtsauffassung vom Bundesverfassungsgericht weitgehend bestätigt worden.
In Sulzbach hielt sie ein engagiertes Plädoyer für die europäische Einigung, vor allem aber für den gemeinsamen EU-Verfassungsentwurf. Ganz wichtig wäre ihr eine Volksabstimmung über diesen Entwurf. Für die FDP hat sie Ende März einen Entschließungsantrag im Bundestag eingebracht, der die Bundesregierung auffordert, die Voraussetzungen für eine solche Volksabstimmung zu schaffen. Diesen Wunsch teilt sie nach jüngsten Umfragen mit 74 Prozent aller Deutschen. Eine solche Abstimmung wäre, so Leutheusser-Schnarrenberger, ein klares Bekenntnis zu einem Europa der Bürger und zugleich ein Beleg dafür, dass in mehr als 50 Jahren die Demokratie in Deutschland so gefestigt worden sei, dass "nun auch die deutschen Politiker dem Volk mehr vertrauen".
Positiv fand die Landesvorsitzende der Liberalen die Stärkung des europäischen Parlaments, dies müsse durch eine hohe Wahlbeteiligung weiter aufgewertet werden. Dem Versuch der CSU, die Wahl zu einer Volksabstimmung über den Beitritt der Türkei zu machen, erteilte die Referentin eine entschiedene Absage. Die Türkei sei in einem langen Prozess der Demokratisierung begriffen, der noch andauere. Ob im Dezember Beitrittsverhandlungen mit diesem Land beginnen könnten, sei noch offen, es könne auch noch einige Jahre dauern. Man dürfe aber keinen Wortbruch begehen, und das vor Jahren gegebene Versprechen nicht brechen.
Ganz wichtig sei bei den Wahlen die Frage der Menschenrechte in Europa, denn gerade Deutschland habe in den letzten Jahren nicht verhindert, dass einige Grundrechte eingeschränkt worden seien. Das Abhören sei nur ein Beispiel dafür, wenn auch das gravierendste. Großes Vertrauen verriet Leutheusser-Schnarrenberger in den Europäischen Gerichtshof, der seine Arbeit bisher gut gemacht habe. Unabdingbar sei eine anerkannte Europäische Menschenrechtscharta.
Wichtige Fragen wurden in der engagierten Diskussion geklärt: Der Terrorbekämpfung durch die EU sei eindeutig der Vorzug vor nationalen Alleingängen zu geben, Grundrechte dürften dabei jedoch nicht angetastet werden. Das jüngste BVG-Urteil sei da für alle Verteidiger der Grundrechte eine große Ermutigung. Es müsse EU-einheitlich festgelegt werden, wie lange
ein Verdächtiger ohne richterlichen Beschluss festgehalten werden dürfe, der Zugriff auf persönliche Daten - beispielsweise auf E-Mail, Telefon u.s.w. - müsse verhindert werden. Ganz klar war die Äußerung der Juristin in einer ganz aktuellen Frage, in der sich offensichtlich Beckstein und Schily weitgehend einig seien: Terrorverdächtige dürften nicht aufgrund bloßen Verdachts ausgewiesen werden. Klare Beweise seien dafür eine unverzichtbare Voraussetzung.
Am Ende der knapp zweistündigen Veranstaltung wiederholte die Referentin mit viel Elan und Emotion den Aufruf, auf jeden Fall im Juni zur Wahl zu gehen, denn Europa bestimme das Leben jedes Einzelnen schließlich immer stärker - auch das der potentiellen Nichtwähler. Man dürfe jedenfalls das größer gewordene Europa nicht den Extremisten auf beiden Seiten überlassen, die als einzige von einer geringen Wahlbeteiligung wirklich profitieren würden.