Erlenbach, 1. Juni 2004
»Wir müssen Europa weiter bauen«
Dr. Rolf Ringert (FDP) über außenpolitische Perspektiven der Europäischen Union
Seine Reaktion: Schüleraustausch und intensives Sprachenlernen, ein Semester Medizinstudium in Österreich und - vor 36 Jahren noch unter Erich Mende - der Eintritt in die FDP als der Partei, die "jahrzehntelang die deutsche Außenpolitik maßgeblich geprägt hat", waren Stationen seiner Biographie. Fast schon "folgerichtig": seine Frau stammt aus Finnland und die nordischen Länder üben bis heute eine große Anziehungskraft auf ihn aus.
Eines wurde aus Ringerts Ausführungen am Dienstag schnell deutlich: Er sieht keine echte Alternative zu einem vereinten Europa, sein Engagement in der Europa-Union legt dafür seit Jahrzehnten Zeugnis ab. Seine Grundmaximen: "Ich bin für eine enge Partnerschaft mit den USA, allerdings muss das Europa der 450 Bürgerinnen und Bürger mit einer eigenen Stimme sprechen, wenn es um Außenpolitik geht." Dass Ringert für einen europäischen Außenminister eintritt und fordert, die EU solle sich dafür einsetzen, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu erhalten, ist da nur folgerichtig. Auch eine gemeinsame Sicherheitspolitik sei unabdingbar, allerdings müsse die Friedenssicherungspolitik im Zentrum stehen und Einsätze dürften nur im Auftrag der UN oder aufgrund ausdrücklichen Hilfeersuchens geleistet werden.
Keinen Zweifel ließ Ringert daran, dass die Erweiterung der EU um Rumänien und Bulgarien im Jahr 2007 unumkehrbar sei, und auch der Türkei müsse die Perspektive auf einen EU-Beitritt zugesichert werden. Ringert übernahm hier deckungsgleich die Einschätzung der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament, in deren Rechenschaftsbericht es heißt: "Der liberalen Fraktion gelang es, die Option auf eine EU-Mitgliedschaft der Türkei offen zu
halten, wodurch sie zugleich Druck auf die Türkei, Reformen für die Erfüllung der politischen und wirtschaftlichen Ziele der EU durchzuführen, aufrecht erhielt." Entscheidend für den Beitritt sei, dass die Türkei die Kopenhagener Kriterien erfülle und die Grundwerte der EU wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und sozialstaatliche Prinzipien akzeptiere. "An der Religion sollte es nicht scheitern!", forderte der Referent und warnte davor, durch immer neue Forderungen alte Zusagen der EU auszuhöhlen.
Dass die Frage des türkischen EU-Beitritts ein brisantes Thema ist, zeigte auch die Diskussion in Erlenbach. So mancher vertrat die Ansicht, dass die EU 70 Millionen Türken in absehbarer Zeit wirtschaftlich und sozial nicht verkraften könne, auch die verbreitete Angst vor einem militanten Islam war immer wieder zu hören. Dagegen setzten manche Liberale die Forderung nach rationaler Argumentation. Kreisvorsitzender Scholz mahnte: "Wir sollten erst mal die Integration hier bei uns fördern!" und einige Junge Liberale erinnerten daran, dass gerade die Chancen der jungen Generation durch ein vergrößertes Europa, durch einen größeren Markt und verbesserte Exportmöglichkeiten steigen könnten.
Am Ende stand Ringerts Resumee, warum es sich lohne, am 13.Juni gerade FDP zu wählen: das konsequente Eintreten der Liberalen für Menschenrechte, der Einsatz gegen überzogene Bürokratisierung, der Kampf gegen unsinnige und marktfeindliche Subventionen - auch und gerade in der Landwirtschaft, die fast die Hälfte des EU-Haushaltes beanspruche - und die Forderung nach Einbezug der Bürgerinnen und Bürger durch Volksabstimmungen über die neue EU-Verfassung seien in dieser Kombination so etwas wie "Alleinstellungsmerkmale" der Liberalen. Und - so Ringert - es komme darauf an, die liberale Fraktion im Europäischen Parlament durch starke deutsche Liberale zu stärken. Dass die FDP wieder ins Parlament einziehen wird, daran zweifelte in Erlenbach niemand: Immerhin sehen jüngste Meinungsumfragen die Liberalen deutlich über 6 Prozent.