Aschaffenburg, 28. September 2014
Weiter munter verschulden? Bofingers Vorschlag führt in die Sackgasse
Leserbrief von Karsten Klein
Die Behauptung von Herrn Prof. Bofinger die schwarze Null zeuge von null Kompetenz in der Wirtschaftspolitik, zeugt seinerseits von null Ahnung. Herr Prof. Bofinger, immerhin Mitglied der Wirtschaftsweisen, behauptet allen Ernstes Deutschland würde „keine Kredite mehr nachfragen“.
Aber wie ist es tatsächlich? Das Ziel die „Schwarze Null“ zu erreichen spricht NUR die Neuverschuldung an. 2014 plant der Bundesfinanzminister immer noch 6,5 Mrd. € Neuverschuldung aufzunehmen.
Deutschland ist aktuell mit über 2 Billionen € (2.139 Mrd. €; pro Kopf 25.282 €) verschuldet. Diese Verschuldung wird jedes Jahr fortgeschrieben. Die "Altschulden" werden weder getilgt noch sind sie nahe null. Diese Schulden machen 77 \% des BIPs - der Wirtschaftsleistung - aus (das Stabilitätskriterium der EU liegt bei 60 \%). Das bedeutet über drei Viertel der volkswirtschaftlichen Leistung eines Jahres müsste aufgebracht werden, um die Schulden zu tilgen. Der Bund ist also weit davon entfernt keine Kredite nachzufragen.
Die Belastung im Bundeshaushalt für die Zinszahlungen beträgt trotz niedriger Zinsen 27,7 Mrd. € im Jahr. zehn Prozent der laufenden Einnahmen müssen für die Zinszahlungen aufgebracht werden, das ist der drittgrößte Ausgabenposten im Bundeshaushalt. Wir befinden uns in einer Niedrigzinsphase. Sollten die Zinsen wieder steigen, steigen auch automatisch die Belastungen im Haushalt ohne dass die Einnahmen steigen. Diese enormen Zinszahlen engen die politische Handlungsfähigkeit heute und vor allem in der Zukunft ein.
Wenn man schon einen Vergleich zu Unternehmen herstellen will , dann sollte man die Bruttoschulden des Staates ins Verhältnis zu seinen Einnahmen setzen. Der Bund müsste die Summe von fast fünf Jahreseinnahmen komplett aufbringen, um die Schulden zu tilgen. Das Verhältnis zwischen Fremdkapital und Umsatzerlöse bei der BMW Group zum Beispiel beträgt gerade mal eineinhalb. Aber natürlich ist ein Vergleich zwischen Unternehmenszahlen und Staat, wie ihn Herr Prof. Bofinger zieht, eingängig und populistisch, aber fachlich falsch. Der Bund lebt in der kameralistischen und Unternehmen in der doppischen Buchführung. Ohne weiteres lässt sich da kein Vergleich ziehen.
Der Vorschlag von Herrn Prof. Bofinger, sich weiter zu verschulden, atmet den Geist, der ein Grund für die Finanz- und Schuldenkrise ist. Jemand dem das Wasser bis zum Hals steht, soll auf Grund von günstigen Bewertungen und Zinsen sich weiter verschulden. Ändern sich die Zinsen säuft er ab. Der derzeitige Schuldenstand kann nicht ernsthaft als Argument dienen um Investitionen auf Pump zu finanzieren. Damit ist wirklich niemanden - vor allem nicht zukünftigen Generationen - geholfen. Vielmehr sind wieder Anstrengungen bei der Konsolidierung der Haushalte anzustreben.
Entscheidend ist, dass sich die Staaten mit ihren Schuldenbergen von den Finanzmärkten abhängig gemacht haben. Schon Adam Smith wusste „Die Politik der öffentlichen Verschuldung hat nach und nach jeden Staat geschwächt, der sich ihrer bedient hat.“ Der Vorschlag von Herrn Prof. Bofinger führt sowohl aus volkswirtschaftlicher wie auch staatswirtschaftlicher Sicht in eine Sackgasse oder besser tiefer in die Sackgasse hinein.
http://www.welt.de/wirtschaft/article117003446/Bund-spart-100-Milliarden-Euro-durch-Niedrigzinsen.html
http://www.focus.de/finanzen/steuern/haushaltsdebatte-schulden-scharze-null-was-wirklich-hinter-schaeubles-schwarzen-null-steckt\_id\_4123091.html
http://www.bundeshaushalt-info.de/startseite/#/2012/soll/ausgaben/gruppe/57.html
http://www.bundeshaushalt-info.de/startseite/#/2014/soll/ausgaben/einzelplan/32.html